Friday, August 10, 2012

Digitalisieren oder lieber auf Papier bauen?

August 2012

Die einen schwören auf Papier, den anderen ist wurscht, wovon sie lesen, Hauptsache dass.

Haptisch ist der gebräuchliche Ausdruck, wenn jemand meint, ohne Papier anzufassen sei´s kein Lesen. Offenbar gehört der Tastsinn zur Leseausrüstung, wie Augen, Hirn und Geduld. Es ist schön, im Ledersessel zu fläzen, ein Getränk in Reichweite, die Stehlampe auf voller Leistung, und sich einen Krimi reinzuziehen. Ich hab´s gut erwischt, mit meinem knallroten Glattlederstück,  das per Hinterngewackel vom Sitzmöbel zum Liegesessel mutiert, jede ruckartige Bewegung der versteckten Mechanik durch clever angebrachte Stoßdämpferchen in ein Gleiten umgewandelt. DAS ist haptisch, da geht dem Sitzenden fast einer ab vor lauter Wohlgefühl, und dann noch eine gute Story -- das ist der gelungene Abend. 

Ach, wenn alles nur so einfach wäre. Jetzt kommen die Computerfritzen mit Lesegeräten daher, die außer Kaffeekochen alles können. Bunter Bildschirm, handlich genug um in die Hosentasche gesteckt zu werden, Platz für tausend dicke Schmöker im fünf-Millimeter-tiefen Gehäuse, drahtlos Bücher ladend, egal wo der Leser sich gerade befindet. Und per Fingerwischbewegung "haptisch" umblätternd.  
Hundert Euro aufwärts kostet so ein Ding, und das Schönste ist, daß es Bücher ganz erheblich verbilligt. Denn nicht nur werden Material- und Herstellungskosten für herkömmliche Bücher gespart, ganze Wälder dürfen weiterhin leben, was Grüne entzücken sollte, keine Transportkosten mehr, nichts zum Abstauben, das E-Book Angebot umfasst hunderttausende Titel, die weltweit angeboten werden. Und man kann sich mit dem Ding überall hinsetzen, in die grellste Sonne, bei tiefster Dunkelheit, und lesen. Klappt sogar im Ledersessel, aufrecht oder in voller Liebesstellung.

Als Leser schätze ich beide Möglichkeiten, die haptische und die digitale. Als Autor habe ich letzthin die Vorteile des neuen digitalen Buchmarktes für mich entdeckt. 

2003 schrieb ich meinen ersten Krimi, Geier. Der wurde von einem der großen deutschen Verlage auf den Markt gebracht, vom Syndikat, der Gruppe deutscher Kriminalschriftsteller, als eines der fünf besten Debüts des Jahres zum Debüt-Glauser nominiert, und das war´s dann. Meinen Vorschuß teilte ich mit meinem Agenten, der Verlag verkaufte recht und schlecht die erste Auflage, dann wurde der Verlag selbst von einem neuen Besitzer übernommen, und mein Geier gehörte wieder mir. Der Verlag hatte an einer weiteren Auflage kein Interesse, ich durfte meinen Vorschuß behalten und den Geier in die Schublade stecken.

Zwei weitere Krimis folgten bei einem anderen Verlag. Papier, haptisch. Der amerikanische Online-Buchverkäufer Amazon brachte vor etwa vier Jahren ein Lesegerät namens Kindle auf den Markt, und Jenny kaufte sich einen . Ich lag in meinem Sessel und las haptisch, sie auf dem Sofa und las digital. Und wenn im Fernsehen einer ein Buch vorstellte, das interessant schien, dann schrieb ich auf wie das Ding heißt und wer der Autor ist, während Jenny schon munter in dem soeben heruntergeladenen neuen Buch las. 

Und ich schaute immer öfter zu, wie mein Geier in Online-Antiquariaten zwanzig und dreissig und vierzig Euro brachte. Nicht mir, sondern irgend jemandem, der einen hatte. Ich verdiente damals, als er neu war, pro gedruckten und verkauften Geier nicht ganz ein Euro, was normal ist für ein Taschenbuch, das für etwa acht Euro verkauft wird. 

Dann, nach der Kindle-Einführung in Deutschland im vergangenen Jahr, pfiff der Geiertext immer lauter in seiner Schublade. Ich sträubte mich, weil ich Schriftsteller bin, und nicht Verleger. Aber Armut ist beschissen, und der Geier war wirklich ein starkes Buch, und was kann ich schon verlieren? Also wurde die Original-CD mit Text und Bild auf das Schreibprogramm übertragen, per Jutoh, einem Computerprogramm, das solche Texte nimmt und sie - schwupp - ins Buchformat bringt, ins Kindle-Autorenprogramm gesetzt und zum Verkauf angeboten.

Kindle zahlt dem Autor eine Tantieme von 35% pro verkauftem Buch. Verpflichtet sich der Rechtebesitzer aber, für einen gewissen Zeitraum das Buch exklusiv über Amazon Kindle zu verkaufen, verdoppelt sich die Tantieme  (abzüglich der zu erwartenden Anteile an Downloadkosten und Derartigem, Centbeträge, die den Bock nicht fett machen). Und der Autor/Rechteinhaber setzt den Preis seines Buches selber fest. Als Beispiel: kostet das Buch $3.99, verbleiben dem Autor nach Abzug der Nebenkostenbeteiligung runde $2.50, mehr oder weniger. Aus gemachter Erfahrung weiss ich, dass der tägliche Verkauf von hundert Exemplaren eine Zeitlang durchaus zu erreichen ist. Und wenn der Bedarf einigermaßen gedeckt ist, pendelt sich der Verkauf irgendwo bei 20-40 Büchern am Tag ein. Je nach Buch und Publikum vielleicht einige Monate, sicher einige Wochen, manche schaffen 200 und 300 Tage in den Top 100 auf Amazon.de.

Das Buch, das mir ein paar Tausender brachte und nicht ganz ein Jahr lang in Buchhandlungen liegen blieb, bringt mir heute zwischen fünfzig und dreihundert Euro am Tag ein. Und laufen wird´s immer -- nicht in der Menge, aber tröpfelnd auf jeden Fall. So lange ich es anbiete. 

Bin ich von Digital überzeugt? Bringt es mir Einkommen und - wichtiger, vielleicht - Anerkennung? 

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